Kyrill, Jahrhundert-Sturm in Theisa, 2007

Es kündigte sich an, am 19. Januar anno 2007

Die Böen waren schon am Morgen zu spüren, aber viele gerieten wegen der Vernachlässigung ihrer Sturmsicherungspflichten in Panik. Die alte ehrenwerte Gutslinde im historischen Zentrum des Rundlingdorfes steht genau in der Mitte zweier neu vermessener Grundstücke. Flüchtigkeit , wie sie nach der Wende mit Dingen des Dorfgemeinschaftseigentums üblich war. Dir ne Hälfte , mir ne Hälfte! Jahrelang tummelten sich „Sachverständige“ in Rudeln von mindestens 6 Mann , klopften ab und befanden : Der Baum ist in Ordnung.

Nachdem kurz zuvor ein armdicker, meterlanger Ast meine Nachbarin Lotte Thiere bei zufälligem Vorbeigehen und Windstille fast erschlagen hätte, bekam ich Bedenken. Mit diesem Ast im Gepäck bin ich dann zu Herrn Winde , damaliger Referatsleiter Baumschutz beim LK Untere Naturschutzbehörde. Ich legte ihm das Prachtexemplar mitten auf alle Akten seines Schreibtischs und fragte: Möchten Sie diesen Ast aus 20 m Höhe bei Windstille auf ihrem Kopf landen sehen? —Wir wurden uns einig. Bäume müssen geschützt werden, Gefahren aber auch ausgeschlossen werden. Im Straßenbereich werden wertvolle Bäume kompromißlos gekappt um dem in der STVO gesetzlich vorgeschriebenem „Lichtraumprofil“ Genüge zu tun.

Hier ein kurzes Video. Man spürt darin die Gewalt des Sturmes nicht. Es war aber gewaltig!

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Lange Zeit verging, die Beschwerden schienen auch die Stadt Bad Liebenwerda erreicht zu haben. Es stand ein Fahrzeug mit einem sehr sympathischen Mann und einer mit Kamera ausgerüsteten, attraktiven, jungen Frau vor der geschichtsträchtigen Linde, an der noch die Eule für die Deklaration als Naturdenkmal befestigt war. Ich war neugierig und fragte: „Gibt es Gefahr? Hin und wieder sind größere Äste abgebrochen.“ — Sie könnten mir helfen, ich seh da einen verdächtigen Abschnitt, haben sie einen Meißel, oder ein Moniereisen? „ Das hab ich leider vergessen.“ Dieser hochdotierte Baumsachverständige Prof. Dr. Rudolph aus dem Barnim klopfte nicht. Er kratzte nur einmal mit dem geliehenen Provisorium in einer Baumspalte: Diagnose : Schwarzer Brandpilz. Der Baum ist unheilbar krank, er muß gefällt werden. Das Pilzmyzel breitet sich unterirdisch auf benachbarte Linden aus. Deshalb muß der Erdboden unter dem Wurzeldurchmesser auf 1,5 m Tiefe ausgetauscht werden!??? Der Baum wird aus der Liste der Naturdenkmale entlassen. Alle weiteren Verpflichtungen zur Sicherung werden dem Besitzer auferlegt!

Als dieses Gutachten die Stadt Bad Liebenwerda erreichte, setzte angesichts der Sturmwarnung Kyrill wahrscheinlich Panik ein.

Alle Baumpflegefirmen waren bereits am Vormittag in Sachsen im Einsatz, keiner konnte auf Anhieb gefunden werden, und so leisteten 2 sehr mutige Baumpfleger einer versierten sächsischen Firma bei Windstärke 10 in schwindelnder Höhe und schwankendem Korb von 16-19 Uhr wirklich aufopferungsvolle, gefährliche Arbeit.

Es bleibt die Frage, wie sehen die benachbarten Linden aus, hat sie der Brandpilz erreicht? Viel Kraft sich zu wehren haben sie nicht. Ihre rechtsseitigen Wurzeln sind in Beton eingefasst und bekommen keine Luft.

Rudolf Pachtmann, Theisa