Älteste Bürgerin in Theisa

Ende Oktober führte mich mein Weg als Ortsvorsteherin zur ältesten in Theisa lebenden Einwohnerin. Zu ihrem Geburtstag überreichte ich ihr im Namen der Verbandsgemeinde eine Urkunde und ein kleines Geschenk mit Naschereien.

Alle Leute im Dorf kennen Herta Vedder – die ältere Frau auf dem Fahrrad, ohne Motor, wie sie straff täglich bis zu 20 km in der Umgebung unterwegs ist und auch  freundlich grüßt. Wenn das Wetter nicht so gut ist, geht sie dafür mit schnellem Gang durch unser langgestrecktes Dorf “spazieren”.

Frau Herta Vedder kann auf ein langes und vor allem zufriedenes Leben zurückblicken. Sie kommt noch aus einer Zeit mit ganz anderen Wertvorstellungen.

In den letzten Oktobertagen des Jahres 1932 erblickte die kleine  Herta, als fünftes Kind von Elsa und Max Müller in Theisa das Licht der Welt. Herta berichtete, dass die Familie zu dieser Zeit sehr arm und oft Küchenmeister Schmalhans zu Gast war, d.h. die Lebensmittel waren knapp. Trotzdem war Klein Herta ein kluges und aufgewecktes Kind. Sie ging sehr gern zur Schule, welche sie bis 1947 in Theisa besuchte. Stolz zeigte sie mir ihr Entlassungszeugnis. Sie verließ die Schule mit einem “Sehr Gut” und versuchte nun, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Zeiten waren wirklich schwierig. Das Ende des 2. Weltkrieges war gerade zwei Jahre her und überall herrschte Mangel und Not. Als junge Frau versuchte Herta trotzdem zu arbeiten und hat die angebotenen Chancen genutzt. Sie pflanzte Bäume, hat als Telefonistin gearbeitet und später hat sie als Sachbearbeiterin beim Rat des Kreises (heute Landkreis) vorbildliche Arbeit geleistet.

Während wir uns unterhielten und Fotos ansahen, klingelte immer wieder hartnäckig das Telefon und viele Gratulanten wollten schon am Vormittag telefonisch ihre Glückwünsche zum 91. Geburtstag übermitteln.

Auf einer Urlaubsreise, Mitte der 50ger Jahre, lernte sie ihren zukünftigen Mann Herbert kennen. Bald folgte die Hochzeit und 1957 kam Töchterchen Marion zur Welt.  Frau Vedder erzählte mir, dass ihre Ehe eine glückliche Zeit war. Wegen der Armut aus ihrer Kindheit wollte sie aber keine große Familie. Dafür erfreut sie sich heute an fünf Urenkeln.

1975 beendete Frau Vedder noch eine Ausbildung zur Finanzbearbeiterin mit einem sehr guten Abschluss und arbeitete dann  immer im Bereich Finanzen.  Ihr Drang zur Genauigkeit spiegelte sich nicht nur in ihrem Berufsleben wider. Viele Jahre übernahm sie deshalb mit großer Leidenschaft zusammen mit einer Kollegin die Hauptkasse und deren Abrechnung beim Rothsteiner Felsenfest im Auftrag ihres damaligen Arbeitgebers, der Druckerei Aktivist Bad Liebenwerda.

Auch in Theisa engagierte sich Frau Herta Vedder. Jede Woche und das über 20 Jahre lang, war die Senioren-Sportgruppe, mit ihr als “Vorturnerin”, im Sportlerheim Theisa aktiv. Als das Sportlerheim 2017 schloss, war damit leider Schluss. Doch die Seniorengruppe besteht weiterhin und trifft sich monatlich zum Kaffeetrinken und anderen Aktivitäten…und Frau Vedder ist immer noch dabei.

Herta blieb trotzdem in Form, Sie pflegt nach wie vor ihren Garten, den Hof und das Haus und vor allem bis 2019 ihren lieben Mann Herbert. Alles im Haus ist akkurat und hat seinen Platz. Frau Vedder erledigt auch ihre Hausarbeit selbstständig. Beim Anschauen der alten und neuen Fotografien wirkte Frau Vedder sehr zufrieden. Ihre Klarheit im Beruf und im privaten Bereich hat ihr stets gezeigt, dass das Leben einfach und gut sein kann.

Mein Besuch neigte sich dem Ende zu, als auch die Vorsitzende der Seniorengruppe, Frau Christine Hentschel, zum Gratulieren vorbeikam.

Warum habe ich Frau Herta Vedder bei meinem Besuch interviewt?

Ihr Engagement für andere, ihre Zufriedenheit und ihre freundliche Art sind ein Beispiel für einen respektvollen Umgang in unserer von Konflikten behafteten Zeit. Seit über 90 Jahren wohnt unsere älteste Mitbürgerin mit Tiefen und Höhen in Theisa und ich verneige mich mit Respekt vor Frau Herta Vedder und wünsche ihr noch viele glückliche Jahre in Gesundheit.

Elke Greger
Ortsvorsteherin Theisa